Die Anlage ist eingemessen – Theorie und Praxis

Zu unserem fast 3jährigen BandPA Test mit dem früheren Testsieger Alcons (2012) haben wir bereits viele Mails erhalten und mit einigen Kollegen in ganz Deutschland telefoniert. Vielen Dank für die vielen positiven Meldungen, Anregung und auch Kritik.

Wir sind beruhigt, es gibt noch andere wie uns !!!  Musiker, die genauso verrückt sind, detailverliebt und nicht verstehen können, warum der Techniker (frisch von der SAE) mit toller SYSTUNE Software, riesigen Monitoren und Gefell Messmikrofonen einfach nicht das hört (hören will/verstehen/kann), was wir hören.

Das richtige einmessen einer PA vor dem Liveauftritt

Da stehen wir nun, Musiker aus Fleisch und Ohren. die ISO 223 kennen und nicht einfach laut und leise drehen, sondern je nach Pegel den EQ anpassen. Wir wollen es jetzt wie die Profi  Tontechniker, Audioplaner, Installateure und Toningenieure machen und beim Soundcheck professionell arbeiten. Kurz, wir werden in das Thema Messtechnik einsteigen und bringen dafür unsere Kenntnisse auf den neuesten Stand. Bei Null starten wir nicht, unser bisheriger Stand.

Messtechnik Grundlagen

Über 30 Jahre Musik. Dirk hat schon in seiner Ausbildung für Firmen im Bereich der Festinstallation gearbeitet und für Soundsysteme in Kinos. Er kennt die Geräte, Mess-Software und weiß auch, wie man Signale mit unterschiedlichen Methoden analysiert.

Von der Kalibrierung des Systems, bis zur Messungen der Pegel, energieäquivalente Mittelung unter Berücksichtigung von Zeitkonstanten der verschiedenen Filter. Zeitfunktionen der Spektogramme, FFT Analysen und Phasendiagramme sind keine Fremdwörter. Aus der Praxis ist auch uns bekannt, welche Messsignale man wann, wo und wie überhaupt verwendet und was man nicht verwendet. Zugegeben, nicht der Stand im Jahr 2016, aber ein guter Anfang. Bringen wir uns nun auf den neuesten Stand.

Methoden und die Praxis für Fortgeschrittene

Eine Fragen waren geblieben:

  • Welches Mikrofon für was und wie unterscheiden sich die Messmikrofone genau?
  • Gibt es Mindestanforderungen an die Soundkarte im Computer, oder lieber mit vernünftiger Hardware?
  • Was bringen günstige Systeme aus dem Fachgeschäft und wie verlässlich ist so etwas?
  • Wie wichtig ist es, ein lineares, zeitinvariantes System zu verwenden?
  • Was genau mache ich mit den Informationen aus einer Energie/Zeitkurve nutzen im Bezug auf die Nachhallzeit?
  • Sollte Time Alignment auch für uns wichtig sein?
  • Gibt es vielleicht Informationen, die wir noch nicht kennen und die aus einer Impulsantwort abgelesen oder herausgerechnet werden können?

Diese und andere Fragen zum Thema Preise und Kosten/Nutzen mußten beantwortet werden. Wir sind froh, dass wir wieder Hilfe hatten und passendes Equipment teilweise kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Wir haben uns dann in Testräume begeben und uns auch mal 4 Stunden früher am Veranstaltungsort getroffen.

 

Selten waren wir uns so schnell einig, denn

IRGENDWANN war dann SCHLUSS!

Das Thema findet einfach kein wirklich Ende. Hinter jeder kleinen Tür, verbergen sich wieder viele neue Türen und Wege. Nach 2 Tagen war klar, „so geht das nicht“! Was brauchen wir wirklich, wir als Band und was ist wirklich sinnvoll?

Möglichst schnell ein brauchbares Messergebniss, nur wie?

Genau hier liegt das große Problem: „schnell und brauchbar“

Das perfekte einmessen einer Anlage, geht eigentlich in der wirklichen Welt (Praxis) nicht. Es fehlt an Zeit und in unserem Falle auch an Geld für das wirklich professionelle Equipment. Was nützt das Equipment, wenn man nicht richtig damit umgeht. Es gibt noch immer Scharen von Technikern, die Klang nach einer geraden Linie beurteilen. Da sind wir auch bei einem Thema, was nicht direkt hier hingehört, aber sollte doch jedem Klar sein, dass eine gerade Linie eben nicht natürlich ist. Die Wahrnehmung von Schallpegeln mit unseren Ohren (darum geht es ja) ist ganz anders und auch je nach dB unterschiedlich. Wenn ein Techniker ISO 223 nicht kennt, sollte er die Geräte besser ausschalten, den Blick vom Monitor lassen und einfach mit seinen Ohren beurteilen.

Schallpegel beurteilung von Klang richtig. So hört, empfinden wir Frequenzen

Aber das war jetzt eigentlich nicht das Thema. Wirklich gute Messungen sind schwer.Mal eben ein Mikro hinstellen und mit nachdenklicher Miene am EQ schrauben bringt kaum das erhofte Ergebnis, dem Traumsound. Das ist mehr als Zeitverschwendung zu bezeichnen. Das mag jetzt hart klingen, aber unsere Band ist zu dieser Erkenntnis nach einigen Tests gekommen.
Komplizierte Räume erfordern zudem andere Dinge. Da helfen auch umfangreichere Messmethoden und eine tolle Mittelung nichts.

In der Praxis bringen uns andere Dinge mehr

Den Standort der Boxen etwas verändern, vielleicht auch mal ein paar Zentimeter hoch und wieder runter. Die Bässe zentriert, eine weitere Box hinter die Säule in der Mitte des Raums usw. Wo strahlt was hin und vielleicht die Zeit lieber in den Aufbau einer Delayline investieren. Einmessen kompromisslos und 100% korrekt … da geht Zeit drauf, sehr viel Zeit.

Wer diese Zeit nicht investiert, kann es auch lassen. Echtes und gewinnbringendes Einmessen macht Sinn bei einer Festinstallation, oder ein über viele Wochen oder sogar Monate laufendes Musical.

Es kann ein Hilfmittel sein bei Liveacts.Vor allem, wenn es mal Probleme gibt und man einfach nicht drauf kommt, welche Frequenz das nun ist, die da stört. Wenn Musiker und Bands hierfür Hilfsmittel suchen, dann darf es auch „günstig“ sein, ohne großen Zirkus. Hier helfen auf die schnelle sogar inzwischen Apps weiter. Ein Microtech Gefell M 372 oder ein günstiges MicW436 an einem IPAD/IPhone, Tablett oder Smartphone (wir hatten hierzu den Test den Analyzer von DSP Mobile gemacht und waren „zufrieden“)

Was tun wir nun in Zukunft?

Wenn der Techniker uns begrüßt mit den Worten „Die Anlage ist eingemessen, ihr müßt Euch nur einstöpseln“ lächeln wir uns sagen „danke dir, das ist toll“ . Gute Stimmung bringt uns mehr als lange Diskussionen, die zu nichts führen als mündlichen Bekentnissen. Denn das, was vor Ort oftmals von anderen Firmen hingestellt wird, ermöglich sehr selten mehr als passable Ergebnisse. Es gibt sie, die perfekte Beschallung, aber selten.

Wir unsere Arbeit als Musiker und benutzen dann, wenn die Leute im Saal sind unsere Ohren. Wir fühlen das, was andere Ohren auch empfinden. Angepasst an jeden Pegel und an jede Frequenz (Hörkurve). !!!

 

 

 

Nachtrag, vom 21.02.2016

Da haben wir ja wieder was ausgelöst. Wir müssen noch einmal betonen, wir sehen hier die Praxis und weniger die Theorie.

Ein Schalldruckpegel ist eine technische Größe, nicht mehr als ein Rückschluss von Schalldruckpegel auf die wahrgenommene Empfindung. Es ist doch kein Geheimnis, dass über 100db die Ohren schlapp machen, wer will denn da noch etwas gut beurteilen können? Auch ist es kein Geheimnis, dass die Wahrnehmung sich anders verhält als der Analyzer, wir wollen damit sagen:

Unsere Ohren hören keine gerade Linie!

Es gibt dafür auch eine logische Erklärung, denn wir empfinden bestimmte Frequenzen lauter, bzw. leiser als andere. Die wahrgenommener Lautstärke ist frequenzabhängig. Diese Frequenzabhängigkeit ist wiederum schalldruckpegelabhängig. Uns sind die psychoakustischen Größen bekannt: Lautstärkepegel (Phon), Lautheit (sone) … sie beschreiben doch nichts anderes als die Wahrnehmung des Schalls. Die „Beurteilung“ dieser Größen ist dann auch Geschmacksache. Der überall beschriebene Schalldruckpegel ist eine einfache Darstellung, die daraus abgeleitet wurde. Bitte, wir wollten unseren Eindruck für Bands und Musiker mitteilen, unsere Erfahrungen. Wir wissen durch unsere Tests, welche Möglichkeiten der digitalen Messgeräte bieten.

 

KOMMENTAR: Jens Sieven schrieb am 29.03.2016:

Vielen Dank für den umfangreichen Bericht, wir wissen was Ihr meint. Es ist für uns Musiker anders als für Beschaller. Vermutlich aus gutem Grund müssen hier Prioritäten gesetzt werden. Schade ist, dass es wenig Tontechniker gibt, die wirklich verliebt in ihre Arbeit sind. Selbst eine deutliche Verbesserung im Klang, erkennen viele Techniker der Verleiher nicht an. Es gibt natürlich Ausnahmen und wirklich richtig gute Leute. Bei den eher mittleren Events (wo auch unsere Band arbeitet) gibt es solche amtlichen Techniker nicht. Vermutlich auch zu teuer.

 

 

NACHTRAG, vom 04.04.2016

Richtig oder falsch?

Der vermutlich letzte Nachtrag, uns erreichen immer E-Mails zu dem Thema.

Wer glaubt, wenn man ein gleichmässiges Rauschsignal (Rosa-Rauschen/ Pink Noise) mit einem guten Messmikrofon aufnimmt und sich das auf dem Analyzer betrachtet, was die Lautsprecher so „herausgeben“, anschließend mit einem EQ dieses „Diagramm“ gerade macht, hat gewonnen, liegt leider falsch. Die Tücke liegt bekanntlich im Detail, denn vergessen wird hierbei, die Raumresonanz.

Besonders in Räumen, die schon wie ein großer Schuhkarton aussehen gibt es unglaublich viele Bereiche im Klangspektrum, die durch den Hall überbetont werden. Dieses unterscheidet sich widerrum sehr extrem vom Standort der Messung. Es liegt daran, dass die Reflektion von der Wand, oder auch die von der Ecke hinten links einfach leiser ist, als das Signal was man als Direktschall von der Box erhällt und darum kann so eine Messung und etwas EQ fummeln nie die ganze Lösung sein.

WAS kann man sonst noch tun

In den Veranstaltungsräumen gibt es nun mal diese Resonanzen und Raumhall. Vor allem bei den Bässen gibt es Überbetonungen hier und ganze „Löcher“ da.
Ebenso komplex sind die Lösungen und darum ist das Thema nicht so einfach, wie immer getan wird. Eigentlich muß hier ein „intelligenter“ Equalizer her. Ein Feedback-Killer also für das ganze Frequenzband. Der reagiert genau dann dort, wo es kritisch wird am Abend.

Dies machen „alte Hasen“ sogar und verwenden solche Feedback-Controller sogar bei schwierigen Beschallungssituationen für die unterschiedlichsten Frequenzen. Glaubt mir, wer weiß, wie hier in der Praxis gearbeitet werden kann und es nicht übertreibt, kommt damit zu guten Ergebnissen.

Jeder Raum hat nun einmal einen bestimmten Klang und aus einer Fabrikhalle macht man nun mal kein Wohnzimmer, egal wie groß der Aufwand dahinter ist.

In unserem Bericht ging es einzig um Beschallungslösungen für Livebands. Wir möchten niemanden „schlecht machen“. Wir wissen auch, unsere Arbeitsweise mag nicht ideal sein, aber es ist der beste Kompromiss.

 

Nachtrag, November 2017

Ingo hat uns auf das NTI XL2 aufmerksam gemacht. Er war auch schon bei vielen „Cracks zu Schulungen“ aber dann doch nie zufrieden (wir kennen das).

Gute Erfahrungen mit dem NTI  XL 2

Energetische Mittelung im Haupt Hörbereich: Rauschen an, Mikro auf Aufnahme, gleichmäßig über Hörplatz gelaufen, etwa 30-50 Sek. Ergebnis in Excel angezeigt, ( dafür gibt es ein NTI Tool), dann die Differenzkurve in 31Band gehackt. Das Ergebniss war aber noch nicht zufriedenstellend. Zweite Variante: Die ganze Kurve mit 2 sehr breiten Parametrischen Filter Richtung linear gezogen und siehe da es passt. Nach Smaart, Satlive und anderen stundenlangen Mess-Session (Mikro die Resonanzen angesungen und EQs gezogen) hat Ingo damit gute Ergebnisse erziehlt.

Wir werden es auch bald testen und schauen, ob es nur einfach „in diesem Fall so funktioniert hat“ oder es hier tatsächlich etwas für schnelle und vor allem brauchbare Messeergebnisse gibt. Vielen Dank Ingo. Hier ein Youtube Video des Produkts.